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Tool statt E-Mail

Tool statt E-Mail

Ralf Graf empfiehlt den Einsatz von Projektmanagement-Werkzeugen auch bei kleineren Webworker-Projekten, denn die Projekt-Kommunikation via E-Mail ist in der Regel zum Scheitern verurteilt. Zielgerichtetes Kommunikation mit dem Kunden: Projektmanagement-Tool statt E-Mail.

Gemälde: Johann Georg Hinz, Kleinodienschrank. 1666. Kunsthalle, Hamburg.

In unseren postmodernen Zeiten ist Kommunikation mit dem Kunden ein wichtiger Bestandteil der alltäglichen Arbeit des Webworkers. Der begehrte Kunde erscheint nicht an der Ladentheke und sagt »Guten Tag, ich hätte da gerne mal ein Internet« und beugt sich dann mit uns über unsere Mustermappe, sondern beauftragt und spezifiziert sein Begehren über die vielfältigen Wege der elektronischen Kommunikation.

Leider ist es »da draußen« mit der Kompetenz in Sachen E-Mail und Co. nicht zum Besten gestellt. Darum stapeln sich die für die Umsetzung der Kundenwünsche notwendigen Informationen gerne in mörderischen E-Mail-Threads mit Betreffzeilen wie »Re AW AW Re AW AW Re AW Re AW Wichtig!!!11!«, selbstverständlich mit reichlich Tofu (»Text oben, Fullquote unten«) versehen, und wichtige Informationen für die Umsetzung des Projekts gehen in einer Mailflut unter. Wenn der stolze Webworker dann das Resultat präsentiert, antwortet der Kunde enttäuscht: »Ich wollte doch auf jede Seite einen gelben Footer, das hatte ich Ihnen doch geschrieben…«

Darum solltet Ihr das Wechselspiel zwischen Kunde und Dienstleister von Beginn an auf eine vernünftige und übersichtliche Basis stellen und das Projekt »managen«, indem Ihr ein Projektmanagement-Werkzeug verwendet. In der Praxis bewährt hat sich z.B. die freie und auf dem eigenen Webserver installierbare Ruby-On-Rails-Lösung Redmine, geeignet sind aber auch ProjectPier als PHP- oder Basecamp als gehostete Lösung.

Screenshot eines Ticket-Systems

Werkzeuge dieser Art enthalten eine Menge Glitzer-Zeug in Form modischer Zwo-Null-Module für alles Mögliche, aber im Grunde braucht Ihr nur ein paar Basisfunktionen, die konsequent angewandt den Projektablauf übersichtlicher und transparenter machen:

  • Jede Teil-Aufgabe wird formuliert und in ein Ticket gepackt, am beste überzeugt Ihr den Kunden davon, die Aufgaben selbst in das System einzutragen.
  • Das Ticket hat eine Status-Information, meistens »neu«, »in Bearbeitung« und »erledigt«.
  • Bei mehreren Beteiligten auf der ausführenden Seite wird festgelegt, wer die Aufgabe bearbeitet.
  • Das System versendet über alle Aktivitäten Informations-E-Mails, der Kunde wird also trotzdem in seinem geliebten Outlook über den Fortgang der Dinge informiert.
  • Ist die Aufgabe erledigt, wird das Ticket geschlossen, und alle Beteiligten werden per E-Mail von der Erledigung informiert.
  • Auf jedes Ticket können Aufwände erfasst werden, der Kunde kann übersichtlich nachvollziehen, wie lange und zu welchen Kosten an welchen Aufgaben gearbeitet wurde.
  • Es entsteht wie »von selbst« zunächst eine für Kunden und Auftraggeber gemeinsame »ToDo-Liste« und danach eine Projektdokumentation, denn gerade bei kleineren Website-Projekten gibt es in der Regel keine großen Dokumentationsanstrengungen.

In unserer Praxis hat sich ein solches Vorgehen auch bei kleinen Projekten bewährt, der Aufwand wird im Vergleich zum »normalen« Jonglieren von E-Mails und Telefonnotizen sogar kleiner, auch wenn der erste Impuls zu einem »nee, lohnt doch nicht bei so ‘ner kleinen Website« verleitet.

Noch einige Tipps für »beliebte« Probleme in der Praxis:

  • Aus dem überbordenden Füllhorn der Features solcher Systeme nur das notwendige Minimum verwenden, um die Kundschaft nicht zu überfordern. Ihr braucht in der Regel kein Wiki, kein Blog und kein Forum.
  • Es muss das System sein. Notizen aus Telefonanrufen und trotzdem versendete E-Mail-Aufträge (kommt natürlich immer noch vor) muss man in das System eintragen, zur Not indem Ihr selbst ein Ticket eröffnet. Wenn mit so einem System keine verlässliche Vollständigkeit erreicht wird, ist es nur ein sinnloses Technik-Spielzeug.
  • Bei Akzeptanzproblemen erläutern, dass es eigentlich keinen Unterschied macht, ob der Kunde seinen Wunsch in eine E-Mail schreibt oder eben in das Textfeld des Ticket-Systems. Und ggf. mit ein paar Screenshots eine kleine »Anleitung« erstellen.

Gemälde: Johann Georg Hinz, Kleinodienschrank. 1666. Kunsthalle, Hamburg.

Kommentare

Katharina
am 20.12.2010 - 09:34

Hm, bin gespaltener Meinung - theoretisch stimme ich zu, aber ich hab festgestellt, daß viele meiner Kunden damit total überfordert sind und ich viel Zeit investiere, da noch ein System zu erklären, um dann doch die meisten Dinge per Mail zu bekommen, weil es eben schnell gehen sollte.
Bei kleineren Projekten lasse ich das also sein. Bei komplexeren Sachen, wo i.d.R. ein CMS im Spiel ist, realisiere ich dann einen speziellen To-Do-Inhaltstyp mit E-Mail-Benachrichtigung und co.
Vorteil: CMS muß sowieso geschult werden, dann hat mans gleich dabei. Nachteil: im Vorfeld vor der Realisierung läuft alles per Mail.

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JCG
am 20.12.2010 - 12:01

Ich stimme Ralf vollkommen zu: E-Mail ist ja schön und gut, wird zeitgemäßer Kommunikation im Projekt aber bei weitem nicht gerecht.

Ich frage mich mittlerweile, wie ich früher ohne Redmine überhaupt den Überblick behalten konnte. Dessen Usability ist so gut, dass selbst technisch weniger versierte Kunden schnell damit zurecht kommen. Zudem erlaubt nur ein solches Tool das Tracken von Aufgaben (und deren Erledigung, Delegation etc.), und ganz nebenbei kann man auch noch die fürs jeweilige Ticket aufgewendete Zeit tracken und buchen.

Die "Re: AW: Fwd: Re: Re:"-Generation wird überdies per E-Mail über Statusänderungen oder neue Tickets unterrichtet, so dass Redmine (und Co.) letztlich jedem Typus gerecht wird.

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JCG
am 20.12.2010 - 12:04

Achso, auf PHP-Basis sollte MantisBT noch erwähnt werden als ebenfalls sehr brauchbare Lösung. Eigentlich ein reiner Bugtracker, bleibt es im Funktionsumfang hinter Redmine zurück und sieht (out of the box) auch nicht so schön aus wie Redmine.

Dafür kann's jeder schnell und einfach einsetzen, dessen Hostingumgebung RoR nicht zulässt.

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Susanna
am 20.12.2010 - 16:39

Auch E-Mails mit einer Verkettung von RE:WG:... im Betreff kann man ggf. allein noch in den Griff bekommen. Wenn das Team der Webagentur von 1 auf 2 wächst, ist damit Schluss. Tools wie Mantis sind dann einfach Pflicht. Wenn der Kunde damit nicht klarkommt, fügt man das Ticket eben selbst ein und gibt es dem Kunden zur Freigabe.

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Matilda
am 20.12.2010 - 17:01

Die Herangehensweise wirkt sehr Professionell. Die meisten Sachen kommen allerdings doch per Telefon - weil sonst könnte ich den Auftrag auch gleich nach Asien auslagern ;-)

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nik
am 20.12.2010 - 22:21

Ich bin skeptisch. Ich habe das mit einem aufgeschlossenen Kunden mal über Mantis gemacht, allerdings entwickelte sich für mich gefühlt ein reines Forderungsmanagement daraus.
Zudem sagt meine Erfahrung, dass der Kunde möglichst alles über seine info [at] example.com Adresse haben will. Selbst Argumentation mit getrennten Namespaces für verschiedene Aufgaben oder vermindertem Spam-Aufkommen dringen da nicht durch.
Drittens haben klassische Büro-Unternehmen oftmals auch eine internen „Irgendwie“-Workflow, der auf E-Mails und PIM basiert. Bei professionelleren Firmen ist das ganze vielleicht auch an einen Unternehmensserver angebunden oder ein Dokumentenmanagement.

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Matthias Edler-Golla

Matthias Edler-Golla
am 21.12.2010 - 11:48

Sehr guter Beitrag!

Ich habe gerade das hier erwähnte Tool „Projektpier.org“ heruntergeladen und auf unserem Server installiert – Installation und erste Anpassungen liefen problemlos…

Bei den nächsten Projekten werde ich mal testen, ob dies für uns Sinn macht!

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Webdesigner
am 22.12.2010 - 22:51

Was noch zu erwähnen wäre ist collabtive http://collabtive.o-dyn.de/
Bis jetzt das beste System was ich gesehn hab. Ähnlich wie Projectpier aber besser und angenehmeres Interface.

Redmine kenne ich allerdings noch nicht. Werd mir ansehen.

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stephan
am 27.12.2010 - 03:32

Ich habe mich Anfang dieses Jahres intensiv mit Projektmanagement SW beschäftigt. Mit weitem Abstand vor collabtive, phprojekt und Kollegen ist definitiv Feng Office zu erwähnen (http://www.fengoffice.com/web/products.php). Wer auf der Suche nach einer möglichst all-umfassenden Lösung, sollte sich unbedingt mit Feng auseinander setzen.

PS: Einzige Nachteile: Da auf Ext JS basierend, selbst auf neuesten Smartphones einige Kompatibilitätsprobleme. Und: es gibt kein WaWi und Accounting Plugin.

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