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Spielregeln für ein entspanntes Miteinander

Spielregeln für ein entspanntes Miteinander

Vertraglich absichern, ja – aber wie? Dank Creative Commons können Webentwickler sich die Erfahrungen anderer zunutze machen. Sandra Kallmeyer schaut Andy Clarke über die Schulter und stellt seinen »Killer Contract« vor.

Gemälde (Ausschnitt): Rembrandt Harmenszoon van Rijn, Die Kompanie des Frans Banning Cocq (Die Nachtwache), 1642. Rijksmuseum, Amsterdam.

Unter Webentwicklern hat es sich längst herum gesprochen:

»Do websites need to look exactly the same in every browser?«.

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, diese Erkenntnis meinen Kunden näherzubringen und auch vertraglich zu verankern, stieß ich auf den »Killer Contract« von Andy Clarke.

Eingebettet in einen umfassenden Vertrag fand ich dieses Juwel:

Die Webbrowser-Landschaft und die relevanten Geräte unterliegen laufenden Veränderungen, und es ist unser Anspruch, nach vorne zu schauen, nicht zurück. In Hinblick auf diese Umstände werden wir die gesamte Verwendung von Auszeichnungssprache und CSS in aktuellen Versionen aller wichtigen Desktopbrowser testen um zu garantieren, dass wir sie in optimaler Weise nutzen. Anwender mit älteren oder weniger funktionalen Browsern oder Geräten werden ein Design erleben, das den Möglichkeiten ihrer Software entspricht. Für Anwender des Microsoft Internet Explorers 6 bedeutet das ein universelles, Typographie-basiertes Design ohne weiteres Layout. Wir werden außerdem testen, dass diese Vorlagen auch auf dem iPad von Apple gute Ergebnisse liefern.

Da hüpft das Herz des Webentwicklers! HTML5! CSS3! Media Queries! Hurra!

Die Zweifel, ob ich so noch Aufträge erhalten würde, waren rasch verflogen: Ein Kunde, der verstanden hat, dass die Optimierung seiner Website für veraltete Browser unnötiges Kapital verschlingt, welches er besser in zukunftsorientierte Technologien investieren kann, unterschreibt diesen Passus gern. Erst recht, wenn er seine Website dafür auf seinem iPad betrachten kann.

Der »Killer Contract« enthält aber noch viele weitere Highlights, und wenn es euch so geht wie mir, werdet ihr beim Durchlesen mehr als einmal in schmerzlicher Erinnerung das Gesicht verziehen und euch wünschen, ihr hättet »damals« einen solchen Vertrag abgeschlossen.

Einer meiner persönlichen Favoriten:

Als unser Kunde besitzen Sie die Vollmacht und Fähigkeit, diesen Vertrag im Auftrag Ihrer Firma oder Organisation einzugehen.

Wie oft habt ihr euch die Frage gestellt, ob die Person, die etwas bei euch beauftragt, überhaupt berechtigt dazu ist? Vermutlich setzt ihr das (so wie ich lange Zeit) einfach voraus. Wer aber einmal erlebt hat, welche surrealen Wendungen ein Projekt nehmen kann, in dem dies nicht der Fall ist, der wird größtes Interesse entwickeln, die Vollmacht seines Ansprechpartners abzeichnen zu lassen.

Weiter geht’s zur Königsdisziplin: Der Contentbeschaffung.

Sie erklären sich einverstanden, uns alles zur Verfügung zu stellen, was wir brauchen werden, um das Projekt zu vollenden – einschließlich Texten, Bildern und sonstiger Informationen – in der Art, wie wir es benötigen, zu dem Zeitpunkt, wenn wir es benötigen und in dem Format, um welches wir bitten.

Wer sich dies unterschreiben lässt, wird deutlich seltener den Blindtextgenerator anwerfen müssen. Die Schriftform erhebt das zur Verfügung stellen von Inhalten nach meiner Erfahrung oft sogar zur Chefsache.

Und wie oft habt ihr Wochen lang auf notwendige Informationen gewartet, um dann alles hopplahopp in einer Nachtschicht umsetzen zu müssen, damit der Launchtermin nicht gefährdet ist? Für einen ruhigen Schlaf vorm Launch sorgt dieser Passus:

[...] wir können nicht für das Versäumen eines Starttermins oder einer Frist verantwortlich gemacht werden, falls Sie uns irgendwelche Materialien zu spät zur Verfügung stellen oder zu irgendeinem Zeitpunkt nicht rechtzeitig unserer Arbeit Ihre Zustimmung erteilen oder diese freizeichnen.

Der Vertrag stellt weiterhin klar, dass sich das Angebot auf einen vorher vereinbarten Leistungsumfang bezieht und dass davon abweichende oder ergänzende Wünsche, zusätzliche Designrevisionen, sowie Zusatzleistungen wie Texterstellung oder Fotorecherche entsprechend dem Tagessatz in Rechnung gestellt werden.

Darüber hinaus enthält der Vertrag in leicht verständlicher Sprache Vereinbarungen über Urheberrecht, Zahlungsmodalitäten, Haftungsausschluss und vieles mehr, sowie natürlich die obligatorische salvatorische Klausel.

Mein Fazit

Nach einigen früheren Anläufen mit verschiedenen Vertragsmodellen und AGB, finde ich mich im »Killer Contract« erstmals persönlich wieder.

Auch dem Kunden bietet das Schriftstück nicht nur Sicherheit über getroffene Vereinbarungen, sondern zusätzlich Erkenntnisse über die Zusammenhänge eines Webprojektes, sowie etwas »Handfestes« in der Argumentation z.B. gegenüber dem eigenen Vorgesetzten.

Eric Eggert und ich haben den Vertrag unverändert für unseren eigenen Gebrauch ins Deutsche übersetzen lassen und stellen ihn euch hier nun zur Verfügung:

Spielregeln

Andy Clarkes »Killer Contract« unterliegt der Lizenz Creative Commons Attribution Share-a-like (Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen).

Also, viel Spaß mit dem heutigen Schokostückchen. Möge es euch den einen oder anderen »Schokoladenkunden« einbringen. :-)

Und weil Verträge eine wichtige Sache für Webworker sind, widmen wir uns im morgigen Türchen noch einmal diesem Thema.

Gemälde (Ausschnitt): Rembrandt Harmenszoon van Rijn, Die Kompanie des Frans Banning Cocq (Die Nachtwache), 1642. Rijksmuseum, Amsterdam.

Kommentare

Webcarpenter
am 07.12.2010 - 08:54

Süß :-))
Kommt immer auf den Kunden an, dem man solche Vertragsunterlagen vorlegt, würde ich sagen. Die meisten Unternehmensanwälte die ich kenne, würden sich darüber im besten Fall einen Ast lachen.

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Stephan Schwenk
am 07.12.2010 - 11:06

Ich habe noch nie (!) andere Vertragsbestimmungen meinen Angeboten zugrunde gelegt. Alle meine Kunden haben diese Formulierungen - so hart diese auch klingen mögen - immer akzeptiert. Allerdings erkläre ich meinen Kunden auch immer im persönlichen Gespräch, was sie in meinem Angebot erwartet. Darin liegt für mich der Schlüssel zur erfolgreichen Durchsetzung derartig deutlicher Formulierungen.
Wer es versäumt, von vornherein auf die Konsequenzen von Versäumnissen hinzuweisen, die man als Auftragnehmer nicht zu verantworten hat, darf sich hinterher wirklich nicht beschweren, wenn der Auftraggeber alle Register zieht, um sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen. Das ist leider so in unserer heutigen Ellenbogengesellschaft.

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Bastian Heist
am 07.12.2010 - 11:37

Ja, die Sprache ist teilweise schon etwas flapsig. Ich denke aber, das ist auch dem englischsprachigen Ursprung geschuldet - in diesem Sprachraum ist die Vertragssprache wohl etwas freier als im paragraphenorientierten Deutschland. Die Punkte 3 und 4 (Fristversäumnis durch Kundenverschulden) habe ich in meinem Mustervertrag auch drin, allerdings eben deutlich formeller. Der erste und zweite Punkt ist jeweils eine gute Idee, werde mir überlegen das aufzunehmen. Danke!

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domingos
am 07.12.2010 - 18:33

Bis auf den ersten Passus dürfte eigentlich alles Standard sein. Das ist zwar nett, einmal Klartext statt verklauseltes zu lesen, ich bezweifle aber, dass das in der Form jemand unterschreiben wird. Auch für einen Vertrag ist leider die Form entscheidend.

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nik
am 08.12.2010 - 02:28

In der Tat etwas flapsig. Die Grundidee gefällt mir aber.

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Marco Kunz
am 08.12.2010 - 15:13

Für mich ein ganz klares "Ja" zu dieser Art Offenheit.

Der Satz ”... finde ich mich im »Killer Contract« erstmals persönlich wieder.” gilt für mich genauso.

Für einen Kunden, welcher sich mit Browser- und Internetproblemen nicht auskennt und auch nicht auseinandersetzen will, mag das wie Kauderwelsch klingen, aber das wäre genauso der Fall ohne den Vertrag. So hat man die Möglichkeit Fragen seitens des Kundens aktiv herbeizuführen, selbige zu beantworten und damit vielleicht zu dem ein oder anderen "Aha-Moment" zu führen. Z.B. klingelt mir schon die Frage im Ohr was es mit diesem "ohne weiteres Layout" auf sich hat und ob das Nachteile birgt.

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Christian
am 16.12.2010 - 23:03

Vielen Dank für den Beitrag, für mich als "Neuling" sind solche Infos sehr hilfreich.

Ob der Text rechtlich gültig ist und akzeptiert wird wäre sicher interessant. Vielleicht liest hier ja einer mit der davon etwas versteht und dazu was schreiben will ;-)

Gruß
Christian

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