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Hilfsmittel für Aufwandsschätzungen

Wir haben noch nicht alle älteren Artikel nachbearbeitet. Das bezieht sich in der Regel nur auf die Codebeispiele, die noch nicht optimal dargestellt werden.

Hilfsmittel für Aufwandsschätzungen

Aufwandschätzung, Ressourcenplanung und darauf basierende Terminpläne sind bei allen Arten von Projekten essentiell für deren Erfolg. Das gilt für die Organisation von Umzügen oder Geburtstagspartys nicht weniger als für Softwareprojekte oder die Erstellung von Websites. Michael Jendryschik stellt zwei einfache Hilfsmittel vor, die Schätzer dabei unterstützen, eine hohe Schätzgüte zu erreichen: das Gesetz der großen Zahlen und die Dreipunktschätzung.

Viele Entwickler gehen bei Aufwandschätzungen zu nachlässig vor und übersehen, dass das Schätzen eine Tätigkeit ist, bei der sie basierend auf unvollständigen Informationen, Annahmen und Wahrscheinlichkeiten Entscheidungen treffen müssen, bei denen viel Geld auf dem Spiel stehen kann. Schätzen ist eine verantwortungsvolle und anspruchsvolle Aufgabe.

Eine Schätzung, die zu Beginn eines Projekts vorgenommen wird, also noch vor der Anforderungsphase, ist im Durchschnitt mit einer Unsicherheit von Faktor 4 belastet. So kann die tatsächlich benötigte Zeit eines Projekts vier Mal so lang oder auch nur ein Viertel so lang sein wie zu diesem Zeitpunkt geschätzt. Die Unsicherheit nimmt im Projektverlauf zwar stetig ab, aber bis zum Ende des Projekts bleibt eine gewisse Unsicherheit bestehen.

Dieser Artikel stellt einfache Hilfsmittel vor, die Webworker dabei unterstützen, eine hohe Schätzgüte zu erreichen:

  • das Gesetz der großen Zahlen,
  • die Dreipunktschätzung und
  • das Schätzschema, das beides miteinander kombiniert.

Das Gesetz der großen Zahlen

Das Gesetz der großen Zahlen ist ein Satz aus der Stochastik und besagt, dass sich die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses der Wahrscheinlichkeit dieses Zufallsergebnisses annähert, wenn das zu Grunde liegende Zufallsexperiment immer wieder durchgeführt wird. Wird beispielsweise eine Münze hinreichend oft geworfen, nähert sich die Quote für Kopf 50 Prozent an.

Trotz der hohen Unsicherheiten sind Schätzungen nicht unbedingt Zufallsergebnisse, aber es ist sinnvoll, sie so zu behandeln. Aus diesem Grund sollten Webworker Aufgaben zur Aufwandschätzung in Unteraufgaben unterteilen. Die Fehler in einer Summe von Einzelschätzungen gleichen einander häufig aus. Abbildung 1 zeigt die Unterteilung einer Aufgabe in neun Teilaufgaben, die separat geschätzt wurden. Die Schätzungen liegen in den meisten Fällen daneben, teilweise bis zu 80 Prozent. Einige Aufwände wurden überschätzt, andere unterschätzt, sodass die Gesamtschätzung nur um 15 Prozent abweicht. Das ist eine akzeptable Abweichung.

Abbildung 1: Das Gesetz der großen Zahlen

Abbildung 1: Das Gesetz der großen Zahlen

Dreipunktschätzung

Die Dreipunktschätzung (auch: PERT-Schätzung) ist ein einfaches und schnelles Verfahren, um an verlässliche Schätzwerte zu erlangen. Dabei ermittelt der Schätzer nicht nur einen Wert, sondern drei Werte:

  • Beim optimistischen Wert (dmin) geht der Schätzer davon aus, dass alles wie am Schnürchen funktioniert und keinerlei Probleme eintreten.
  • Beim normalen Wert (dnorm) wird der Normalfall geschätzt, wenn die Arbeit mit gewohntem Tempo voran geht.
  • Beim pessimistischen Wert (dmax) nimmt der Schätzer an, dass ein Problem dem nächsten folgt und nichts auf Anhieb funktioniert.

Die anzusetzende mittlere Dauer dmittel wird Erwartungswert genannt und nach folgender Wahrscheinlichkeitsverteilung errechnet:

Abbildung 2: Formel - d(mittel) = [d(min) + 4*d(norm) + d(max)] / 6

Abbildung 2: Formel für die Wahrscheinlichkeiten

Der Erwartungswert ist so definiert, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent der zu erwartende Aufwand unterhalb und mit ebenfalls 50 Prozent Wahrscheinlichkeit oberhalb des Erwartungswerts liegt.

Schätzschema

Das Schätzschema kombiniert das Gesetz der großen Zahlen und die Dreipunktschätzung miteinander. Dabei handelt es sich um eine Tabelle, in der Schätzer die zu schätzenden Aufgaben – sorgfältig in möglichst viele Teilaufgaben unterteilt – und ihre Schätzwerte eintragen. Mit Tabellenkalkulationsprogrammen wie Microsoft Excel oder OpenOffice.org Calc können Schätzer die PERT-Spalte über o.g. Formel befüllen lassen. Sinnvoll ist es darüber hinaus, automatisch Summen über die einzelnen Spalten zu bilden, um eine Gesamtschätzung zu erhalten.

Abbildung 3 zeigt ein Schätzschema für die Aufgabe: Schreibe einen Artikel über Aufwandschätzung für den Webkrauts-Adventskalender. Es ist gut zu erkennen, dass die Aufgabe in drei Teilaufgaben unterteilt wurde, die jeweils aus weiteren Unteraufgaben bestehen, die einzeln geschätzt wurden. Das Schreiben des Artikels verursacht – wie zu erwarten war – die meisten Aufwände, aber auch für die Erstellung der Ressourcen muss viel Zeit eingeplant werden. Der Gesamtaufwand liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 4,5 und 18 Stunden mit dem Erwartungswert 9,92 Stunden.

Abbildung 3: Schätzschema in Excel

Abbildung 3: Schätzschema in Excel

Das vorgestellte Schätzschema kann Webworkern dabei helfen, zu besseren Aufwandschätzungen zu gelangen. Projektmanager arbeiten zumeist mit umfangreicheren Schätzschemata, die zudem die Standardabweichung berechnen, d.h. die Abweichung der Schätzungen von ihrem Erwartungswert oder mit anderen Worten: die Unsicherheit der Schätzungen. Die Schätzung aus Abbildung 2 ist eine verhältnismäßig unsichere Schätzung, da die Summe aus dmax vier Mal so hoch ist wie die Summe aus dmin. Zudem enthalten professionelle Schemata zusätzliche Puffer und Wahrscheinlichkeiten, um auf Basis der Schätzungen einen realistischen Projektplan erstellen zu können. Unter Berücksichtigung der Standardabweichung würden Projektmanager bis zu 20 Stunden für die Erstellung des Artikels einplanen – abhängig von den Formeln, die zur Berechnung der Puffer angewendet werden.

In der nächsten Ausgabe der PHPUser wird eine erweiterte Fassung dieses Artikels erscheinen, in der es auch um Aufwandschätzung in agilen Projekten mit Schätzklausuren und Planungspoker geht.

Kommentare

Schepp
am 08.12.2009 - 08:37

Ungewöhnliches und viel zu selten behandeltes Thema - deshalb ist dies der für mich bisher gewinnbringendste Artikel der Adventsserie! Danke dafür!

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Plumpy
am 08.12.2009 - 09:19

Sehr interessantes Thema, wird mir mit Sicherheit bei meinem nächsten Projekt weiter helfen. Danke!

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Julia
am 08.12.2009 - 09:34

Ein sehr nützlicher Artikel. Vor allem, weil man ja meist dazu neigt, den Aufwand zu gering zu schätzen. Irgendwann hat man ja seine Erfahrungswerte, aber anfangs habe ich mich oft nach unten verschätzt und man mag ja dann dem Kunden auch nicht Unmengen mehr berechnen als im Angebot - also lieber höher ansetzen und im Ergebnis weniger brauchen.

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Rainer
am 08.12.2009 - 10:15

Schöner Artikel. Und wie lange hast Du nun in Wirklichkeit gebraucht?

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Michael Jendryschik

Michael Jendryschik (Autor)
am 08.12.2009 - 10:24

@Rainer Gute Frage. :-)

Kann ich aber leider nicht beantworten, da der Artkel ein Extrakt aus einem umfangreicheren Artikel ist, er also nicht so entstanden ist, wie ich ihn zu planen vorgegeben habe. ;-)

Das ist nunmal nur ein Beispiel. Für den PHPUser-Artkikel habe ich eine »echte« Aufwandschätzung vorgenommen und die Aufwände festgehalten. Ich bin bei einigen Stunden unterhalb des Maximalwerts gelandet.

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Tekl
am 08.12.2009 - 10:46

Krass, hätte jetzt geschätzt, dass ein erfahrener Autor für so einen Artikel max 4 Stunden braucht. Das liegt sogar unter dem angesetzten Minimum. Wie viel Zeit hat der Artikel denn nun tatsächlich beansprucht?

Für mich also ein sehr wertvoller Artikel. Ich muss also meine Maximalschätzung als Minimum eintragen und mindestens das Doppelte als Maximum. ;-)

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Michael Jendryschik

Michael Jendryschik (Autor)
am 08.12.2009 - 10:51

@Julia Bei Festpreisprojekten ist es wichtig, genügend Puffer einzuplanen. Dabei reicht es meistens, mit Näherungen zu arbeiten.

Ziehe dazu den optimistischen vom pessimistischen Wert ab und teile die Differenz durch 6. Im oberen Beispiel kommt dabei 2,25 heraus. Das ist die ungefähre Standardabweichung (nach Daumenregel). Projektleiter addieren bei Festpreisprojekten diesen Wert zwei (teilweise bis zu drei) Mal zum Erwartungswert hinzu und kommunizieren diese Schätzung an den Kunden. 14,5 Stunden wäre ein Wert, den ich möglicherweise für das Beispielprojekt veranschlagen würde.

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Michael Jendryschik

Michael Jendryschik (Autor)
am 08.12.2009 - 10:55

@tekl 4 Stunden für das Verfassen des Artikels kommt ja ungefähr hin. Aber ich musste darüber hinaus ein wenig recherchieren und die Erstellungen der Grafiken und des Beispiels kostete ebenfalls Zeit. Das Schätzschema hilft dabei, solche Dinge im Vorfeld zu bedenken und in die Schätzung aufzunehmen.

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Maik Wagner
am 08.12.2009 - 11:22

Informativ, praktisch, handhabbar. Gefällt mir :-)

Das werde ich bei Gelegenheit mal gegen die anderen Schätzungsarten halten und sehen, wer gewinnt...

@MI: Ah, also doch durch 6 teilen, die Formel von Abbildung 2 hatte mich verwirrt, im Alt-Text steht nämlich durch 4 teilen...

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Eric Eggert

Eric Eggert (Webkraut)
am 08.12.2009 - 11:53

@Maik: Entschuldige, der Tippfehler geht auf meine Kappe :)

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Julia
am 08.12.2009 - 12:39

@MI Den großen Puffer braucht man auch definitiv - meist vergisst man nämlich die Faktoren wie Recherche, die kleinen Details und vor allem auch die Zeit, die man mit der Kommunikation verbringt. Emails und (Telefon)gespräche können sich da gerne mal zu mehreren Stunden addieren.

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Johannes Pfeiffer
am 08.12.2009 - 13:24

Danke für den schönen Artikel. Obwohl es langsam etwas besser wird war die Aufwandskalkulation noch nie meine Stärke. Werde demnächst die angesprochenen Methoden testen.

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Jo
am 08.12.2009 - 15:55

Wann kommt denn der vollständige Artikel in der PHPUser?

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Michael Jendryschik

Michael Jendryschik (Autor)
am 08.12.2009 - 17:00

@Jo Ende Januar. Die PHPUser erscheint vierteljährlich, siehe: http://it-republik.de/php/php-user-magazin-ausgaben/

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Michael
am 09.12.2009 - 20:23

Vielen Dank für diesen ausserordentlich interessanten Beitrag. Aufwandsschätzungen waren bisher nicht mein Lieblingsthema, das ändern sich nun künftig. ;-)

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Stefan
am 10.12.2009 - 14:08

Hey das ist ja mal Klasse, werde ich gleich beim nächsten Projekt integrieren. Danke!

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Roman
am 14.12.2009 - 20:14

Ich habe mir erlaubt, aus den Informationen des Artikels eine Numbers-Tabelle für die Aufwandsschätzung zu erstellen, die ich unter CC-Lizenz zur Verfügung stelle.

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TKraut
am 15.12.2009 - 13:57

Interessanter Artikel. Vielen Dank!

@Roman: Find ich ne Superidee diese Tabelle als download anzubieten!!! Wäre es möglich vielleicht die Tabelle auch als Excel oder OpenOffice-Datei für die Win/Linux-User zu speichern? (Nicht nur) Ich wäre dir dafür sehr dankbar!

Grüße und weiter so!

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Roman
am 17.12.2009 - 18:29

Ich habe den Download um eine Excel-Version ergänzt.

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TKraut
am 20.12.2009 - 01:26

@Roman: Super! Besten Dank.

PS. Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen der oben erwähnten "Wahrscheinlichkeits-Formel" und der Mittelwert-Funktion von Excel? Die Ergebnisse sind fast gleich (abgesehen von den Nachkommastellen).

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