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XHTML 2 - Outsourcing 2.0

News vom 24.07.2009

XHTML 2 - Outsourcing 2.0

Es ist schon ein paar Wochen her, als die Nachricht, XHTML 2 werde nicht mehr vom W3C weiterverfolgt, die Webwelt mal wieder in zwei Lager teilte: Die einen meinten, dass die in XHTML 2 fehlende Abwärtskompatibilität und die Weigerung der Browserhersteller, diesen Standard konsequent zu unterstützen, zu ewiger Inkompatibilität führen würde, die anderen bedauerten die Entscheidung des W3C für die halbherzige Lösung HTML 5, die das Web nicht weiter voranbringen würde, weil die Unzulänglichkeiten aus den Entstehungstagen von HTML weiter mitgeschleppt werden.

Bereits im Jahre 2004 entschlossen sich Browserhersteller wie Apple, Mozilla und Opera, Webentwickler und Interessierte mit der Gründung der WHATWG (Web Hypertext Application Technology Working Group), XHTML 2 und den schleppenden Fortschritten des W3C den Kampf anzusagen. Als die Verweigerungshaltung des WHATWG 2006 gegenüber XHTML 2 nicht mehr zu übersehen war, komplimentierte man sie kurzerhand ins W3C und versetzte die XHTML 2 Entwickler in eine eigene Abteilung, quasi schon damals auf das sichere Abstellgleis.

Mit dieser Entscheidung hofft das W3C, mehr Kräfte auf HTML 5 zu bündeln und die Entwicklung eines neuen HTML-Standards damit zu beschleunigen. Vordenker und Chefentwickler von XHTML 2, Steven Pemberton, will nun sein Projekt außerhalb des W3C zu Ende bringen und informiert in seinem Blog über die weitere Entwicklung von XHTML 2.

Kommentare

Sandra Kallmeyer

Sandra Kallmeyer (Webkraut)
am 25.07.2009 - 09:59

Obwohl ich XHTML 2 sehr spannend fand, habe ich mich über die Nachricht gefreut. Wenn man sich schon mit der Geschwindigkeit einer Kontinentaldrift voran bewegt, ist es gut, wenn man sich wenigstens über die Richtung einig ist. Also: Hurra! Und auf zu neuen Ufern mit (X)HTML 5. :)

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Marco Zehe
am 25.07.2009 - 10:55

Ich kann mich Sandra nur anschließen. Auch für die Barrierefreiheitsstandardisierungen ist es besser, wenn es nur eine Baustelle gibt und nicht zwei, um die man sich kümmern muss. Wir haben mit den Neuerungen bei HTML5 (Audio/Video, Canvas, Drag and Drop) schon genug zu tun, das alles z. B. für assistive Technologien richtig aufzubereiten. Da nicht noch ein Auge auf einen parallelen Standard haben zu müssen wird die Arbeit hofentlich deutlich vereinfachen.

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Jens Grochtdreis
am 25.07.2009 - 10:58

Die Realität kann mit 100%igen Formaten wie XHTML2 leider nichts anfangen. Dafür sind die Entwickler und vor allem die CMS zu schlecht. Man bedenke, daß eine miserable externe Werbung eine ganze Seite unsichtbar - weil unvalide - machen kann.

HTML5 ist eindeutig der bessere Weg. Es droht aber auch dort wieder zu lange zu dauern. Wir benötigen schnelle Lösungen für Probleme, die schon seit langem bestehen. Die Diskussionen müssen mal zu einem Ende kommen.

HTML5 sollte auf alle Fälle modular werden, sodaß später neue Entwicklungen angeflanscht werden können. Und wir müssen einen Weg finden, daß Microsoft auch endlich mal wieder "mit den anderen Kindern spielt". Bislang ist Microsoft ein Hemmschuh für die Entwicklung. Es war mal anders.

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Eric Eggert

Eric Eggert (Webkraut)
am 25.07.2009 - 12:00

Okay, dann mal die losen Enden zusammen bringen, die der Artikel und die Kommentare aufwerfen…

Zum Artikel:

1. Bereits 2003 gab es eine Übereinkunft der Browserhersteller (alle, inklusive Microsoft) keinen zweiten Parser in ihre Browser zu implementieren. Man würde dann viele Internetseiten damit kaputt machen, hieß es.
2. Das W3C wollte XHTML2 trotzdem als den zukünftigen Standard pushen, die HTML-Arbeitsgruppe wurde daraufhin eingestellt und die XHTML2-Arbeitsgruppe (die es schon vorher gab) wurde als einzige unterstützt. XHTML2 hatte sich durch seine Weigerung Rückwärtskompatibilität vorzusehen bereits vorher ganz von selbst aufs Abstellgleis gestellt. (hier ein Ausschnitt von Zeldman zur Diskussion)
3. Anschließend schlossen sich alle Browserhersteller (außer Microsoft, man hatte dort aufgehört Browser zu entwickeln) zusammen um eine Spezifikation zu erstellen, die letztlich von der HTML-Arbeitsgruppe übernommen wurde nachdem man im W3C zu der Erkenntnis kam, dass XHTML2 nicht der alleinige Weg sein könne. Die HTML5-Arbeitsgruppe wurde dann aus ihrem Tiefschlaf aufgeweckt. Weiterhin sind WHATWG und die HTML-Arbeitsgruppe zwei getrennte Organisationen. Mit Ian Hickson von Google gibt es aber einen Editor, der Feedback aus beiden Gruppen einsammelt und zusammenstellt (was zurecht nicht unumstritten ist).

Zu Sandra und Jens:

Die Entwicklung eines guten Standards dauert Zeit und XHTML2 ist aus Standardssicht sicherlich ziemlich perfekt, dafür kann man es nicht benutzen. HTML5 auf der anderen Seite bekommt immer mehr Auswüchse und soll eine Catch-All-Spezifikation werden, was nicht im Sinne eines guten Standards sein kann.

Es geht jetzt vor allem um die Entwicklung eines stabilen Fundaments für Webseiten im kommenden Jahrhundert. Modularität hilft auch niemandem, wir sehen das bei CSS3, wo es trotz Modularität seit X Jahren nur zu ein paar wenigen Spezifikationen führte.

Und Microsoft muss ich gerade auch noch verteidigen. Sie sind Chair der HTML5-Arbeitsgruppe, sie haben der Webstandards-Community eine Test-Suite für CSS2.1 geschenkt (und der IE8 ist der einzige, der das alles erfüllt), sie wollen für CSS3 (bzw. für fertige Module) ebenfalls solch eine Test-Suite bereitstellen. Zudem haben sie wirklich viel Boden gut gemacht mit dem IE8, was zwar nichts an der Qualität des IE6 ändert, doch deren Bemühungen zeigt. (Apple ist wesentlich seltener aktiv, es sei denn, es geht um Audio/Video-Codecs…)

Noch ein Wort zu HTML5:
Ob das W3C den Standard absegnet oder nicht und wann ist mir persönlich herzlich egal. Was für mich zählt ist wann ich diese Sachen einsetzen kann. Ich sehe HTML5 als eine ToDo-Liste auf die sich alle Browserhersteller geeinigt haben, und auch wenn es noch ein bisschen dauert bis wir alles benutzen können und die ToDo-Liste abgehakt ist, so ist das doch eine bisher einmalige Situation. Statt Browser-Krieg gibt es jetzt Browser-Kooperation. Wie toll :)

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Tomas Caspers

Tomas Caspers (Webkraut)
am 25.07.2009 - 12:28

@Eric:
> Die Entwicklung eines guten Standards dauert Zeit

»… this nation should commit itself to achieving the goal, before the decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth.«

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Ansgar Hein
am 25.07.2009 - 20:30

@Eric: Danke für das Zusammenführen der losen Enden. Dennoch fragt man sich als Abhängiger vom Systemprozess Standardisierung (AKA Webentwickler) schon, ob das W3C genau weiß, was es tut. Viele Menschen, viele Gruppen, viele Meinungen. Ich denke, da muss man auch mal bereit sein, Fehler einzugestehen und Projekte zu beenden. XHTML2 war und ist so ein Fehler, hoffentlich wird man sich mit HTML5 nun einig. Die Unterstützung an der Basis ist jedenfalls da.

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Sylvia Egger

Sylvia Egger
am 25.07.2009 - 21:48

Ich denke, hier liegt das klassische Missverhältnis zwischen Theorie (Spezifikation) und Praxis (Anwendung) vor bzw. wie visionär und zukunftsfest darf und soll ein Standard sein. Offenbar heisst Zukunfstfestheit, dass er rückwärts gewandt - weil damit wieder praxistauglich - genug ist, damit alle mit in die Zukunft genommen werden.

So sehr HTML 5 derzeit der Kotau vor Browserherstellern und der akuten Praxis nachgesagt wird, so sehr muss man auch zugeben, nicht nur die aktuelle Praxis braucht einen aktuelleren Standard auch die zukünftigere. So sehr das W3C notwendig ist und Metaarbeiten unbedingt wichtig bleiben und entwickelt werden müssen, geht es in jeder Spezifikation letztlich um die ganz reale praktische Ranführung, eine Spezifikation für die Praxis.

Und - das darf man auch nicht vergessen - HTML 5 ist ebenso eine Spezifikation wie jede andere auch. Sie ist noch nicht 100% festgezurrt und für viele von uns ist das ein Novum, etwas einzusetzen, das noch nicht fertig ist. Insofern widerspreche ich Eric da schon, für mich als konkreter Praktiker, der eine Spezifikation in Projekten einsetzt, ist schon noch wichtig, ob der W3C sie absegnet.

Aber das wird ohnehin der Fall sein. Und ich widerspreche Marco insofern, dass es eher weniger der Fall gewesen wäre, sich mit mehr als einer Spezifikation permanent zu beschäftigen. Bis dato gab es ja auch nicht zwei Wege, sondern man hat sich für eine von beiden entschieden, woher auch immer die eindeutige Gewichtung herkam. Bei mir war es jahrelang nun mal XHTML.

Etwas verwegen - weil ich es nicht wirklich beurteilen kann, wie eine Spezifikation ausserhalb des W3C betrieben werden kann - finde ich das Pemperton nun den umgekehrten Weg wie das WHATWG geht. Erwarten tu ich mir davon eher weniger.

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Sylvia Egger

Sylvia Egger
am 25.07.2009 - 22:43

Noch ein schmaler Punkt: Ich denke nicht, dass XHTML 2 ein Fehler war und dass man diesen nun eingesehen hat. Es könnte ja genauso sein, dass wir in ein paar Jahren feststellen, mit HTML 5 kommen wir auch nicht mehr weiter. Es werden schlicht immer wieder notwendige Weichen gesetzt, das ist alles.

Aber das soll nicht heissen, dass Visionäres nicht immer wieder seinen ganz praktischen Platz haben wird. Und womöglich ist es im Web schlicht so: harte, neue Schnitte sind nur am Anfang möglich, alles andere danach ist forward-pressing compatibility. Was durchaus positiv gemeint ist, auch oder gerade - wie Tomas betont - weil auch der Mond längst Routine ist.

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Maxx Hilberer
am 26.07.2009 - 18:27

ob eine Sache ein Fehler ist, kann man erst dann mit einigermaßener Sicherheit sagen, wenn man sie unter wirklichkeitsnahen Bedingungen erprobt hat. Solche Umgebungen können allerdings nur geschaffen werden, wenn die dazu notwendigen Teststrecken zur Verfügung gestellt werden.
Da aber die Hersteller der fahrbaren Untersätze für das Web schon sehr vorzeitig ihre Areale mit Stacheldraht verhauen haben, konnte zwangsläufig XHTML 2 keine Straßentauglichkeit attestiert werden.
Auf diese Art und Weise sind schon viele Kapitel im Großen Buch der Innovationen geschlossen worden:
"Weil nicht sein kann, was nicht sein darf" (Christian Morgenstern)

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Matthias Koch

Matthias Koch (Webkraut)
am 27.07.2009 - 10:43

HTML5 kann kommen. Sicherlich nicht Hopplahopp, so, als hätte es der Esel im Galopp verloren - Entwicklung bedeutet eben Zeit.
Dass XHTML2 als Fehler gewertet wird, kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt keine wirklichen Fehler, außer dem, dass niemals Fehler begangen werden (dürfen).

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