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Die Industrialisierung des Webdesigns – Teil 2

Automatisierung und Standardisierung

Die Industrialisierung des Webdesigns – Teil 2

Wie werden sich zunehmende Standardisierung und Automatisierung auf das Webdesign auswirken, auf das Selbstverständnis unserer Arbeit und auf das Berufbild des Webdesigners der Zukunft? Der folgende Text versucht Antworten zu geben, erneut mit Bezügen zur älteren und jüngeren Vergangenheit.

Bis zur Jahrtausendwende war es für einen selbstständigen und tatsächlich weitgehend freien Webdesigner der ersten Generation noch machbar, den Auftrag für die Corporate Site größerer Unternehmen umzusetzen. Heute wäre sowohl eine entsprechende Anfrage als auch eine tatsächliche Umsetzung für einen Einzelkämpfer undenkbar. Der Grund liegt nicht allein in der Komplexität der Anforderungen an den Webdesigner, sondern an der fehlenden Notwendigkeit, als Konzern oder mittelständisches Unternehmen einen Einzelkämpfer beauftragen zu müssen.

Von der digitalen Boheme zur kontrollierten Produktion

Das Angebot an Agenturen ist heute riesig und innerhalb dieses Angebots herrscht wiederum ein extrem harter Wettbewerb. Wir müssen uns damit abfinden, dass sich zukünftig die Schere zwischen kleinen Webdesignern in ihren Home-Offices und der Konzentration des Marktes auf spezialisierten Agenturen weiter öffnet. Die Rede ist hier von hochwertigen Agenturleistungen im gesamten Spektrum des Webdesigns, die schon längst nichts mehr mit den klassischen »Full-Service«-Leistungen als reine Print- und Marketing-Kampagnen und zusätzlich eingekauften Webdesign-Leistungen zu tun haben.

Wie wird sich der Berufsstand der Webworker entwicklen? Erneut ein Blick zurück: Die Einführung der mechanischen Webstühle vollzog sich in Etappen, vorausgegangen waren Innovationen, die anfangs nur eine geringfügige Mehrleistung gegenüber den Heimarbeit-Produzenten hatten. Es dauerte auch gut 50 Jahre, bis der Berufsstand der Weber in England endgültig verschwand. Wir dürfen nicht vergessen, dass bereits der Siegeszug des PCs und die Entwicklung von DTP mehrere Berufe hat aussterben lassen. Es gibt genug gelernte Schriftsetzer und Druckvorlagenhersteller, die noch lange nicht das Rentenalter erreicht haben, aber schon seit 1998 vom Beruf der Mediengestalter abgelöst wurden.

Den Freelancern, GbRs und Einzelkämpfern werden auf Dauer nur die Aufträge von kleinen Agenturen bleiben, Kunden reduzieren sich maximal auf den KMU-Bereich, vor allem aber auf Einzelunternehmer und kleine Institutionen oder Vereine. Selbst der KMU-Bereich setzt zunehmend auf umfassende Agenturleistungen, auch hier erfordern Wettbewerb und Marktkonzentration innerhalb der Branchen die Notwendigkeit einer professionellen Positionierung in Marketing und Werbung. In einer Übergangsphase werden sicherlich Netzwerke spezialisierter Webworker existieren, auf Grund der Interessenkonflikte bezüglich der individuellen Kundenstrukturen werden sie den Agenturtrend aber nicht stoppen. Eine Ausnahme werden wohl noch länger die von Unternehmen und Agenturen buchbaren Spezialisten aus verschiedenen Sparten des Webdesigns bleiben, zeitlich und räumlich flexible und dafür angemessen bezahlte Tagelöhner sozusagen, die ihre langjährigen Erfahrungen und ihr Know-how in den Bereichen Frontend, Design, SEO oder UX auf dem freien Markt anbieten. Wichtiger als hard skills werden zukünftig Fähigkeiten sein, die nicht automatisiert oder ins Ausland verlagert werden können. Webworker mit einem breiten Wissen finden immer ein Betätigungsfeld, wenn sie über Kompetenzen wie Beratung mit einen Gespür für zielgerichtete Konzeption, Teamfähigkeit mit hoher sozialer Kompetenz und eventuell noch Spezialwissen in technischen Einzeldisziplinen verfügen.

Webstandards und standardisierte Arbeitsprozesse

Kommen wir zurück zu den anfänglichen Fragen des Tagesgeschäfts, die alle Webworker beschäftigen und die sich grundlegend von den Fragestellungen der vergangenen Dekade unterscheiden. Vor 10 Jahren interessierte uns, wie die Browser geltende Webstandards unterstützten, beziehungsweise wo und wie wir durch Frontend-Voodoo die Browser dazu bringen konnten, ihnen diese Standards beizubringen. Mit dem Siegeszug von Smartphones und Tablets haben wir ähnliche Probleme auch heute, dennoch verlagern sich die Fragen auf Themen der praktischen Umsetzung in Verbindung mit Automatisierung und Standardisierung, also auf die Frage, wie wir das, was wir tun, qualitativ und wirtschaftlich weiter optimieren können. Dahinter steht ein eindeutiger Bedarf, den der Markt nicht freundlicherweise anbietet, sondern zwingend vorschreibt. Es ist möglich, Websites wie vor 20 Jahren komplett per Hand zu schreiben, und es ist auch sinnvoll zu wissen, was da am Ende als HTML-Code ausgegeben wird. Das würde sich jedoch in dem Moment ändern, sobald beispielsweise ein komplexes CMS samt Einbindung verschiedener Frameworks und der Bearbeitung via Präprozessoren oder sogar per WYSIWYG-Editor endlich garantieren könnte, stets einen sauberen, auf allen Ausgabegeräten funktionierenden Code auszugeben. Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Ziel schon immer im Vordergrund aller lösungsorientierten Entwicklungen von Browser- und Web-Editoren oder Redaktionssystemen stand. Mittlerweile ist dieses Ziel in greifbare Nähe gerückt. Der Lösungsansatz von The Grid zeigt bereits den Weg in die Zukunft und wird in den kommenden Jahren weitere Derivate oder ähnliche Konzepte nach sich ziehen. Selbst die früher belächelten Baukastenlösungen wie Jimdo haben sich längst emanzipiert, entwickeln sich rasant weiter und sind schon heute ernsthafte und anspruchsvolle Alternativen zu handgeklöppelten Microsites für Vereine, Einzelunternehmer und Freiberufler.

Es wird deshalb eine immer weiter fortschreitende, modulare Standardisierung der Techniken und Abläufe geben. Sämtliche Innovationen und Experimente werden sich aber zukünftig innerhalb dieser Standards abspielen müssen, um konsens- und marktfähig zu bleiben. Wir kennen das Beschriebene längst von der Automobilproduktion: trotz aller Innovationen kommt am Ende eine Baureihe auf den Markt, bei der sich die einzelnen Fahrzeuge bis in kleinste, prozessoptimierte und standardisierte Details wie ein Ei dem anderen gleichen. Es ist deshalb kein Zufall, dass Designtrends zu Webseiten führen, die sich sehr ähnlich sehen, obwohl sie mit unterschiedlichsten Tools erstellt wurden. Bei dem Siegeszug von CSS-Layouts waren es oft genug die Beschränkungen alter oder nicht gepflegter Browser wie dem IE6, die zu gemeinsamen Nennern bei den Layouts führten. Heute sind es nicht die Beschränkungen, Trends setzen standardisierte und damit konfektionierte Konzepte von Frameworks wie Bootstrap, Template-Editoren von Redaktionssystemen oder Fertiglösungen mit professionellen Vorlagen wie WordPress, das ist ein gravierender Unterschied. Analog zu Google als Synonym für alle möglichen Suchmaschinen werden Lösungen wie Bootstrap, Wordpress oder Angular.js zur Zeit wie aktuelle de-facto-Standards behandelt, mit diesen Lösungen werden auch Kunden unabhängiger von der Anbieterstruktur und erhalten die weiter oben beschriebene Hoheit über die Projektweitergabe an eine günstigere Agentur, die sogar mehr Profit machen kann als der Freiberufler, wenn sie die Umsetzung zum Beispiel an einen Partner oder die Niederlassung in Bangladesch, Vietnam oder China vermittelt.

Angesichts der zunehmenden Komplexität der Web-Branche wäre es allerdings fehl am Platze, über diese Entwicklung zu jammern. Jeder unnötig gewordene Arbeitsschritt ermöglicht die Konzentration auf die beschriebenen Soft-skills. Wir möchten heute auch keine Texte mehr per Hand schreiben, die in einem Schreibbüro abgetippt und im Copy-Shop vervielfältigt werden müssen. Automatisierung und Standardisierung bedeutet auch, sich von lästigen Zwängen dumpfer Arbeiten zu befreien, unabhängig davon, dass man auch weiterhin alles im Texteditor schreiben kann, sofern man Spaß daran hat. Es wird wohl kaum einen Webworker geben, der die automatischen Sicherheit-Updates von Wordpress als Eingriff in seine individuelle Arbeitsweise verteufeln würde.

Wer mit wem?

Die letzte Frage bleibt, wer denn innerhalb des Marktes diese Standards vorgeben wird. Neben den Browserherstellern werden das wahrscheinlich vor allem Big Player wie Microsoft, Apple und vor allem Google sein, die ihre Marktmacht durch die Akkumulation von Kapital ausbauen können. Die Konzentration wird auch in anderen Bereichen der Webentwicklung weitergehen. Der Markt benötigt langfristig keine 100 Redaktionssysteme, nicht einmal 50, vermutlich nicht einmal 20. Der Markt benötigt auch kein Dutzend Javascript- oder CSS-Frameworks. Was oder wie viel davon am Ende übrig bleiben wird, kann keiner vorhersagen. Entscheidend ist nur die Feststellung, dass mit dieser Konzentration innerhalb standardisierter Prozessabläufe auch die Rolle des Allround-Webworkers als individueller und in seinen Arbeitsweisen und Entscheidungen noch weitgehend freier Marktteilnehmer ebenso ein Ende finden wird wie der Wunschtraum von einer digitalen Boheme.

Kommentare

Johannes
am 06.12.2015 - 09:54

Hi,

das ist mal ein starker Text dem ich aber gar nicht zustimmen kann. Zuerst finde ich den Vergleich zur industriellen Revolution und dem Untergang der Weber fragwürdig. Durch neue Technologien ergeben sich auch immer neue Wissensfelder, die ein KnowHow erfordern, dass ich als Freelancer gut füllen kann. Wo ich dir recht gebe ist, dass der normale All-Round Webdesigner nicht mehr am Markt überleben wird.

Ich glaube das liegt aber eher an einer wachsenden Komplexität der digitalen Produkte und den Ansprüchen der Kunden mehr haben zu wollen als eine "einfache Website". Heute steht die Zielsetzung ganz oben, also was möchte ich denn eigentlich mit meiner Website erreichen? Hier muss schon grundlegend Hirnschmalz investiert werden, um nicht das komplette Projekt auf einer falschen Intention aufzusetzen. die Beratung kostet aber Zeit und jedem Menschen stehen nur 24h zur Verfügung.

Weiterhin ist das Web erwachsen geworden in den vergangenen 20 Jahren und ebenso haben sich dessen Fähigkeiten erweitert. Als Webdesigner kann ich gar nicht umfassende Beratung, Design, UX, verschiedene Technologien beherrschen. Aber ich kann in einem Gebiet eine hervorragende Expertise aufbauen und muss hier aber nicht Teil einer Agentur werden.

Agenturen sind auch noch ein ganz eigenes Feld. Viele der Agenturen kommen aus dem Werbeumfeld und haben hier glaube ich ihre Expertise. Ich sehe die Webwelt mittlerweile stark softwaregetrieben und so professionell sollte meiner Meinung auch bei großen Projekten gearbeitet werden inkl. Anforderungen und Testing der erstellten Produkte. Als spezialisierter Webworker sehe ich als unsere Aufgabe hier das verbindende Glied zu sein und hier professionelle Strukturen zu schaffen.

Einen Abgesang auf den Freelancer oder Webworker halte ich für zu früh.

Grüße und einen schönen Nikolaus

Johannes

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Nils Pooker

Nils Pooker (Autor)
am 06.12.2015 - 14:40

Hi Johannes,

danke für den ausführlichen Kommentar. Das, was du schreibst, widerspricht aber nicht unbedingt meinen Aussagen. Von einem Abgesang auf den Freelancer oder Webworker ist nicht direkt die Rede, ich beschreibe ja explizit Netzwerklösungen und vor allem Freelancer als Spezialisten für bestimmte Bereich wie Frontend, Backend, Scriptsprachen, UX, UI, SEO, usw.

Natürlich, da hast du absolut Recht, wird es aufgrund der beschriebenen, zunehmend komplexer werdenden Ablauf eines Webprojektes auch zunehmend eine Spazialsierung geben (müssen), niemand kann heutzutage alles gleich gut und das auf einem Top-Level erbringen. Richtig ist auch - das ist ja die Kernaussage meines Artikels - das immer mehr software-gesteuert ist, also automatisiert.

Die Umwälzung im Berufsbild ergibt sich aber aus den veränderten Anforderungen der Kunden an ihre Projekte und den daraus resultierenden, ganz praktischen Problemen. Die Spezialisten-Freelancer, die ich nicht umsonst als "digitale" Tagelöhner bezeichnet habe, werden weiterhin gesucht sein. Aber nicht, weil es keinerlei Kompetenzen in den Agenturen gibt oder geben wird, sondern weil deren Kapazitäten bezogen auf die einzelnen Agenturbereiche begrenzt sind und eventuell nicht derart hoch kompetent sein können wie ein auf ein Aspekt spezialisierter Freelancer. Bricht dann aber so eine Agentur auf Grund deren Wachstum als Vermittler weg, weil sie eben einen zweiten und hoch spezialisierten Mitarbeiter einstellt, muss der Freelancer seine Haut erneut zu Markte tragen.

Beim Beruf der Architekten und Innenarchitekten ist es längst so, dass auch die nur über Spezialisierung oder aber Netzwerklösungen ihre Jobs finden. Doch selbst freie Architekten werden dennoch nie komplette Großprojekte erhalten, dafür gibt es Bürogemeinschaften oder eben große Büros. Allenfalls für Teilbereiche solcher Projekte haben spezialisierte Kleinbüros eine Chance.

Die zunehmenden Probleme für Freelancer oder freie Webworker haben vor allem mit den inhärenten Mechanismen eines freien Marktes zu tun. Es ist beispielsweise die ganz profane Tatsache, dass zum Beispiel größere Kunden auf Grund ihrer Budgets und Reputation für den Dienstleister durchaus den Preis diktieren kann. Für eine Agentur kann diese Referenz dann so relevant sein, dass sie das Projekt für einen Bruchteil der betriebswirtschaftlichen Erfordernisse umsetzen kann und wird und auch günstiger als ein Freelancer, der noch oben bei Mutti wohnt, weil sie die Verluste auf zu erwartende Folgeaufträge auf einem höheren Niveau akquirieren, abwickeln und somit diese Kosten auf spätere Projekte umlegen kann. Ein zweiter Punkt: Theoretisch ist der Spezialist schon gefragt, ich selbst mache gelegentlich Beratung. In der Regel erwartet der Kunde praktisch aber einen Dienstleister, der alles in und aus einer Hand übernimmt. Der Kunde möchte einen Ansprechpartner haben, er möchte eine Rechnung und er erwartet zu Recht die Zuverlässigkeit bezüglich des Projektabläufe. Das alles bekommt er ab einer gewissen Projektgröße nur von einer Agentur.

Weiter: gerade die zunehmende Automatisierung - was du korrekt als stark softwaregetriebene Webwelt bezeichnet hast - beinhaltet nicht nur eine erheblich flexible Austauschbarkeit der Dienstleister, die sich auch im Agenturbereich mit zunehmend härter werdenden Wettbewerb und Preiskämpfen bemerkbar machen wird, sondern auch eine erheblich kürzere Lernkurve bezüglich der reinen technischen Skills. Ich kann heute schon mit einem Mausklick in zahllosen Redaktionssystemen, Static Website Engines oder sogar kostengünstigen Baukastensystemen Module aktivieren, für die ich vor 10 Jahren noch Stunden als zusätzlichen Aufwand benötigte. Allein mit dem Siegeszug von GoogleMaps und der entsprechenden API sind schon genug Grafikagenturen und Unternehmen vom Markt verschwunden, die sich auf das Zeichnen von Anfahrts- und Lageplänen spezialisiert hatten.

Was also konkret folgen wird, ist immer weniger "Bullshit-"Arbeit, aus der viele Webworker bislang und unangefochten gerade einen Großteil ihre Existenzberechtigung ziehen konnten.

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Patrick H. Lauke
am 07.12.2015 - 10:38

Ich hatte mal vor Jahren (2007) was kleineres ueber ein aehnliches Thema geschrieben (damals im Kontext von "Hand-Coding vs CMS") https://www.splintered.co.uk/news/99/

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Nils Pooker

Nils Pooker (Autor)
am 07.12.2015 - 12:48

Ja, das ist ein sehr guter Text, danke Patrick! :-)
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Marc
am 08.12.2015 - 12:31

Toller Text!
Meiner Meinung nach gibt es etwas, was freie Dienstleister leisten können, was aber vermutlich kaum genutzt wird: Sie können bei der Vergabe und bei der Abnahme von beauftragten Produkten helfen, denn ein normaler Auftraggeber ist weder in der Lage seine Wünsche zu formulieren und bekommt dann entweder sehr teuer viel zu viel oder zu teuer viel zu wenig und kann nicht einmal feststellen, ob vertragliche Verinbarungen wie "Barrierefreiheit" (mittels drei A für verschieden große Schriften realisiert, haha) überhaupt umgesetzt wurden.
Ähnlich wie Gutachter und Architekten die beratend den Kauf von immobilien und Kfz-Sachverständige den Kauf von Fahrzeugen professionell begleiten um nciht auf Tacho-Schwindler oder Baupfuscher reinzufallen, Denn solche schwarzen Schafe gibt es immer. Im Webdesign ist es für Auftraggeber oft besonders schwer mehr nachzuvollziehen als "sieht so aus, wie bestellt"...

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Nils Pooker

Nils Pooker (Autor)
am 08.12.2015 - 20:08

Hi Marc,

danke :-) Ja, du hast Recht, die reine Beratungsleistung sehe ich auch als berufliche Möglichkeit für Freelancer. Ich habe bei einigen wenigen solcher Leistungen aber auch bemerkt, dass die Praxis nach wie vor nicht zu kurz kommen sollte. Berater bewegen sich ja nur auf der Metaebene der Produktion, das ist nicht ganz ohne Risiko bezüglich der "Bodenhaftung". Auch von Architekten und Innenarchitekten weiss ich, dass nach einiger Zeit nicht mehr alles über Information angeeignet werden kann, und deren Branche ist verglichen mit unserer eine sehr gemächliche. Trotzdem glaube ich auch, dass hier ein weiteres Berufsfeld zu den von mir beschriebenen Bereichen liegen werden. Noch ist die reine und unabhängige Beratung leider kein gutes Pflaster, auf dem sich wirtschaftlich gut laufen lässt, aber das wird sich vielleicht ändern.

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Andreas
am 08.12.2015 - 12:44

Hi Nils,

danke für dieses außergewöhnliche Artikel-Doppelpack! Solche Metathemen werden ja nicht allzu oft diskutiert.

Ich habe erst vor einigen Wochen das E-Book „On Web Development“ von Jens Meiert gelesen. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung von Artikeln, die er im Laufe der letzten zehn, fünfzehn Jahre geschrieben hat. Man mag vielleicht annehmen, dass gerade in unserer Branche solch eine Sammlung so alter Artikel „wertlos“ sei, höchstens von nostalgischem oder dokumentarischem Wert.
Aber so ist es nicht. Jens beackert seit einer halben Ewigkeit einige Kerngebiete und kämpft für einige wenige Thesen, die seit vielen Jahren unverändert sind und auch heute Gültigkeit haben. Dazu gehört die Forderung, keine unnötigen Abhängigkeiten zu schaffen, keine Black Boxes, auf Standards zu setzen, auf schlanke Lösungen. Und: die Kosten eines Problems immer zu vergleichen mit den Kosten der Lösung des Problems.

Ist vielleicht zum Querlesen in Zusammenhang mit deinem Artikel interessant.

Ein pauschales Ablehnen neuer Technologien oder ein passives Bejammern eines geänderten Arbeitsumfelds halte auch ich nicht für hilfreich. Ich finde nur, dass wir etwas häufiger erst einmal nach dem Was und dem Wozu fragen sollten, bevor wir uns aufs Wie stürzen.
;)

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Nils Pooker

Nils Pooker (Autor)
am 08.12.2015 - 20:20

Hi Andreas,

absolut richtig, als Webworker neigen wir zu schnell und auf Grund unserer ureigensten Tätigkeitsfelder dazu, eher nach dem wie zu fragen, als nach dem wozu. Diese Tatsache war auch ein Impuls, den Artikel-Zweiteiler zu schreiben.

Jens Meiert ist natürlich bekannt und schon fast eine altehrwürdige Institution. Ich kenne viele seiner Artikel, das eBook "Tausend Jahre meiert.com" kannte ich noch nicht, danke für den Tipp!

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Frank Hamm
am 07.01.2016 - 00:34

Hallo und erst einmal vielen Dank für diesen wirklich gut geschriebenen 2-Teiler der heute bei mir wirklich einen Nerv getroffen hat.

Ich gehöre zu diesen nicht mehr ganz jungen freien Webdesignern (Jahrgang 1961). Als Einzelkämpfer von einem kleinen Westerwaldes Dorf aus versuche ich meinen Laden am laufen zu halten.

Ich gestehe es fällt mir immer schwerer. Nicht das ich die grundsätzliche Entwicklung anders beurteilen würde als Nils. Im Grundsatz bin ich was die Entwicklung angeht da bei ihm.

Nur das ich ohnehin eben die kleinen Kunden wie KMUs, Handwerker, kleine Dienstleister, oder Industriebetriebe habe. Und dort ist das Problem ein ganz anderes.

Nämlich überhaupt Aufträge zu bekommen. Gefragt ist dort die "eierlegende Wollmilchsau", heisst gute Design, möglichst ohne Aufwand von der Putzfrau zu bedienen, natürlich nach Suchmaschinenoptimierung auf Platz1 bei Google, responsives Webdesign ist dem Kunden eigentlich Wurscht, Hauptsache die Website wird auf dem Windows XP Rechner der Sekretärin unter IE6 ohne Fehler dargestellt, und mobile-friendly brauchen wir auch nicht.

Ach ja und kosten kann es doch nix, denn im Fernsehen zeigen Sie us doch wie man das mit einem Baukasten bei ne Kaffee und guter Musik an einem Nachmittag zusammenflickt. Und Design? Bei Strat.. gibts doch 500 Layout gleich dazu.

Und dann versuch mal dort einen Auftrag zu kriegen. Klar könnte ich mich spezialisieren, entweder auf ne Branche, oder beispielsweise kommunale Websites. Aber das schränkt dann den potentiellen Kundenkreis wieder sehr ein.

Es kann ja sein, das es nur wenigen kleinen freien Webdesigner so geht wie mir (Manchmal denke ich ich bin zu blöd für den Job), aber ich befürchte das es den universellen freien Webdesigner mittelfristig an den Kragen gehen wird.

Aber es ist ja ein neues Jahr und alles wird besser.

ein lieben Gruß eines Exilruhries aus dem Westerwaldes Exil.

Frank Hamm

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