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Gesprächsführung in der Kundenkommunikation
Webdesign ist eine Dienstleistung. Projekte müssen im Kundengespräch zunächst einmal gewonnen werden, bevor sie geplant, konzipiert und umgesetzt werden. Nils Pooker erläutert die Fallstricke und sinnvolle Lösungsansätze für eine erfolgreiche Kundenkommunikation.
Bei verschiedenen Zusammenkünften von Webdesignern wird man als Teilnehmer von lockeren Gesprächsrunden stets Zeuge einer anscheinend allumfassenden Wahrheit, dass Kunden wahlweise entweder dumm oder ignorant seien. Oder sogar beides. Man selbst könnte auch problemlos einen ganzen Abend mit eigenen Erlebnissen und Beispielen bestreiten.
Mit der Einschätzung „intellektueller Beschränktheit“ bezüglich der Medienkompetenz im Bereich Web hat man dann schnell seine Schublade für „die Kunden“ geschaffen, Ausnahmen scheinen die Regel nur zu bestätigen. Man hat dann außerdem schnell seine individuelle Strategie zur Hand, mit der man stets und ständig versucht, Herr über Projekt und Qualität und Auftragsvergabe zu bleiben.
Erfolglose Gesprächsstrategien
Die beiden Extreme dieser Strategien bezeichne ich als die Basta- und die Wünsch-Dir-Was-Strategie. Natürlich besteht die Realität aus den Graustufen dazwischen – wichtig ist hier nur die Tatsache, dass keine der beiden Methoden erfolgreich ist. Bei der Basta-Strategie setzt der Webdesigner vehement nur seine Auffassung durch, der Wünsch-Dir-Was-Kandidat macht dagegen wider besseren Wissens alles, was der Kunde will – auch bunte Laufbänder.
Das Problem ist, dass beide Strategien nichts anderes sind als inszenierte Vorstellungen. Inszenierungen stimmen aber nur selten mit der Realität überein. Bei der Basta-Strategie geht der Webdesigner davon aus, dass er den schlechten und unprofessionellen Vorschlägen seiner Kunden grundsätzlich nur mit herrischer Ignoranz begegnen kann. Für ihn ist der Kunde per se derjenige, der die ehrlich verteidigte Qualität einer Webseite gefährdet. Das andere Extrem ist das Verhalten des allzu pragmatischen „everybodys darling“. Der will eigentlich nur, dass das Projekt pünktlich, bequem und ohne Stress online geht. Kurz gesagt: Der eine verprellt oder verärgert den Kunden unnötig, der andere geht über (Webseiten-)Leichen.
Erfolgreiches Gesprächsmanagement
Wenn Kommunikation zwischen Webdesignern und Kunden nicht oder nur selten klappt, wie sieht dann ein gutes Gesprächsmanagement aus? Zunächst muss man als Webdesigner einfach akzeptieren, dass die meisten Kunden eine Medienkompetenz besitzen die nicht größer als die eines durchschnittlichen Endnutzers ist. Im Gegenteil: sobald aus dem privaten Endnutzer ein geschäftlicher Kunde wird, mutiert der gesunde Menschenverstand nicht selten in das bei allen Webdesignern bekannte Konglomerat überzogener Wünsche und falscher Vorstellungen. Für die Kommunikation bedeutet das: man muss sich auf das Niveau der Medienkompetenz des Kunden einlassen.
Medienkompetenz und Kommunikation
Die Medienkompetenz des Kunden ist die Basis der Kommunikation. Man sollte immer nur Kategorien und Differenzierungen verwenden, die vom Kunden auch verstanden werden. Wichtig ist auch die Tatsache, dass eine erfolgreiche Kommunikation nur auf gemeinsamer Augenhöhe stattfinden kann.
Als Webdesigner erwartet man nicht nur, dass der Kunde technisches und inhaltliches Verständnis für alle Projektphasen aufbringt, man erwartet auch, dass er sich zumindest der Kompetenz des Webdesigners unterordnen soll. Das Problem ist aber, dass man genau das nicht erwarten darf. Der Kunde hat vielmehr ein Anrecht darauf, dass der Webdesigner ihm erklärt, wo er in eine Wahrnehmungsfalle getappt ist und auch, warum eine bestimmte Lösung besser oder schlechter ist als eine andere.
Fragen und Gegenfragen
Eine erfolgreiche Methode besteht darin, falsche Vorstellungen vom Web, auf die die meisten unprofessionellen Wünsche des Kunden beruhen, in Frage zu stellen. In der Praxis der Gesprächsführung funktioniert das zum Beispiel über gezielte Gegenfragen. Es geht nicht darum, den Kunden mit einem wiederholten „Wie meinen Sie das?“ die Gewissheit zu geben, dass sein Gegenüber geistig schnell überfordert ist. Eine gezielte Gegenfrage bietet sich bei konkreten Kundenaussagen an, die nicht genau verifiziert werden.
Immer wieder gern genommenes Beispiel: „Ich will das Logo größer haben“. Mit der Basta-Strategie würde man antworten: „Das ist ja total unprofessionell. Wer hat Ihnen denn so etwas eingeredet?“ Das ist ein Statement, es besteht das Risiko, dass der Kunde „dicht“ macht. Mit der Wünsch-Dir-Was-Strategie wäre die Reaktion „Kein Problem, wie groß hätten’s denn gern?“ Hier verleugnet der Webdesigner nicht nur seine Qualitätsansprüche, er verweigert dem Kunden den Anspruch einer professionellen Beratung.
Gezielte Gegenfragen wären hier zum Beispiel:
- „Meinen Sie, dass die Besucher das als zu klein empfinden?“
- „Wieso, soll der Kopfbereich noch größer werden?“
- „Sie nehmen in Kauf, dass sich das Logo langsamer aufbaut?“
Das Web als Bild
Eine zweite Möglichkeit ist die Verwendung von Metaphern und Vergleichen. Hier ist wichtig, dass die Kategorien und bildhafte Vergleiche allgemein bekannt sind – die Metapher muss also eingängig sein. Diese Form ist besonders bei der Umschreibung der technischen Aspekte bezüglich Aufbau und Funktion einer Webseite sinnvoll. Zu oft wird eine Webseite wie ein Hochglanzprospekt wahrgenommen, das Web wie das Fernsehen und eine Javascript-Funktion wie technische Zirkusmagie. Und genau so, wie im letzten Satz die Metaphern _Hochglanzprospekt, Fernsehen_ und _Zirkusmagie_ verwendet wurden, muss man im Kundengespräch nach eingängigen Vergleichen suchen.
Sinnvoll ist oft auch der Versuch, Bilder als Unterscheidung zu bringen, dass nämlich etwas eben „nicht so ist, wie …“ Ansatzweise hatte ich diese Möglichkeiten schon in einem älteren Blogbeitrag „Webstandards und Kundenansprache“. Wenn wir von HTML-Dokumenten sprechen, ist zum Beispiel der Vergleich mit Textdokumenten angebracht. Die Trennung von Inhalt und Layout könnte man mit den Barbie-Puppenaccessoires vergleichen, die jeden Tag bedrohlich im vorweihnachtlichen Fernsehen flimmern. Oder ein Vergleich mit Fernwärme als bequeme Alternative zum stationären Kachelofen in jedem Wohnraum. Und die Funktion der extern abgelegten CSS-Datei? Die könnte man mit dem bildhaften Wunschtraum darstellen, mit seiner Fernbedienung alle Fernseher der Nachbarschaft einmal gleichzeitig zu steuern.
Fazit
Das Ziel erfolgreicher Kommunikation ist immer Hilfe auf dem Weg zur Selbsterkenntnis. Es geht darum zu zeigen, warum eine Einschätzung des Kunden falsch ist oder warum seine Wünsche unprofessionell sind. Nicht herrische oder opportune Statements sind gefragt, sondern erfolgreiche Aufklärung. Und immer andas große Risiko einer überflüssigen Aufklärung oder einer allzu inszenierten Kommunikation denken: Gegenfragen darf man nur in geringer Dosierung anwenden und zu allen Aspekten des Webdesigns muss man nicht gleich eine passende Metapher finden.
Kommentare
Peter Rozek
am 07.12.2008 - 11:44
Schön erklärt. Als Webdesigner, Konzeptioner sollte man sich nie zu schade sein die "Warum-Frage" zu stellen.
Selbst wenn der Kunde im ersten Augenschein ein nahezu fast perfektes Briefing abgegeben hat, sollte man Grundsätzlich nach dem warum fragen.
Einfaches Beispiel: Der Kunde möchte eine Webapplikatin haben mit der die Aussendienst Mitarbeiter über Windows Mobile den Lagerbestand abfragen können.
Warum nur die Aussendienstler, warum nicht die Servicehotline. Warum nur Windows Mobile, was ist mit Blackberry. Warum soll nur der Lagerbestand abgefragt werden und nicht bereits Bestellungen aufgenommen werden. Ich denke hier kann man die Reihe der Fragen noch weiterführen.
Allerdings sollte man daran denken, das der Webdesigner nicht die Wollmilchlegende Eiersau ist. In Sachen Screendesign ist er ganz klar der "Experte". Ein guter Webdesigner ist aber nicht immer ein guter Konzeptioner und mit dem Konzept fängt ja bereits alles an.
Michael Aringer
am 08.12.2008 - 00:01
Hi,
danke für diesen wirklich gut geschriebenen Artikel.
Ich denke aber, dass sich hier Webdesigner oft zu wichtig nehmen. Nicht nur Webdesignern geht es so, sondern allen Dienstleistern in einem Fachgewerbe. Als Spezialist sollte man nun einmal mehr über das Thema wissen, als der Kunde. Das ist doch der Grund, weshalb der Kunde die Dienste eines Fachmannes/ einer Fachfrau in Anspruch nimmt. Ob dies nun ein Architekt ist, oder ein Installateur oder eben ein Web-Designer.
Der Unterschied ist vielleicht, dass viele Menschen bereits Erfahrungen mit Internet und Websites haben und deshalb meinen, sie könnten die Website eigentlich selbst herstellen, wenn genug Zeit da wäre. Man muss also als Webdesigner vorsichtig sein, den Kunden nicht bevormunden zu wollen. Es braucht manchmal viel Feingefühl und Diplomatie um dem Kunden davon zu überzeugen, dass er gut daran getan hat, Fachleute zu beauftragen. Kundenfragen und Wünsche sollte man jedoch immer ernst nehmen, denn wenn man davon ausgeht, dass der Kunde dumm ist, hat man ohnehin jede Kompetenz verspielt.
Servus, Michael
.carsten
am 09.12.2008 - 14:22
Vorstellungen von Kunden sind, sofern aufs Papier gebracht, manchmal für professionelle Gestalter oder Programmierer, etwas krude. Meis verbirgt sich dahinter aber nicht der Wunsch, es genauso umgesetzt zu bekommen, sondern um eine Art symbolischen Platzhalter für eine Funktion oder ein Gestaltungsprinzip, daß damit erfüllt werden soll.
Manchmal lohnt es sich, Kundenbreifings oder Feedbacks nach diesem Kriterium zu betrachten. Es ergibt sich womöglich die richtige Erklärung oder der richtige Vorschlag daraus, worüber der Kunde dann wiederum häufig sehr froh ist, weil er damit die eigentliche Beratung erhält, die er braucht. Der kunde kennst sich meist nur sehr gut in seinem Bereich aus, nicht aber darin, wie man dieses oder jenes Problem im Bereich Webdesign oder Programmierung umgesetzt bekommt. Den Kunden als dumm zu disqualifizieren, halte ich für sträflich. Kunden sind manchmal vielleicht schwierig aber sie haben meist eine Idee im Kopf, nur die Kommunikation zum Dienstleister klappt nicht.
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